Sea Shepherd’s Operation “Infinite Patience” - Über die Delphintreibjagd in Taiji, Japan
ein Bericht von Nicole und Markus Kappelhoff.
Wir sind Taucher...
Wir lieben das Meer...
Wir wollten für unsere Hochzeit einen besonderen Ort...
Ein Delphinarium erschien uns perfekt...
Ein glücklicher Tag...
Und was für eine Dummheit im Rückblick....
2010 - Wir hatten unseren Hochzeitstermin festgelegt, wollten aber nicht im langweiligen Standesamt heiraten, sondern irgendwo "draußen". Auf der Suche nach einem Ort, an dem wir unsere Trauung vollziehen können, sind wir auf die Möglichkeit gestoßen, zum Beispiel im Zoo Duisburg zu heiraten - im Delphinarium. Das erschien uns perfekt, sind doch Delphine - so dachten wir damals - so fröhliche Tiere.
Der Ort war also gefunden, die Gäste wurden eingeladen. Wir waren voller Vorfreude. Wir hatten einen traumhaften Tag, mit einer tollen Zeremonie, einer Delphinshow nur für uns und unsere Gäste, mit Füttern und Flossenschütteln.
Ein glücklicher Tag.
2014 - Auf "Animal Planet" läuft die Dokumentation "Whale Wars", die wir häufig anschauen. Wir recherchierten ein bisschen über Paul Watson und Sea Shepherd und stießen so unter anderem auf den Film "Die Bucht", der uns schockierte - nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer Hochzeit. Als wir uns entschlossen hatten, uns für die Delphine und gegen Delphinarien einzusetzen, und unseren Freunden davon erzählten, mussten wir feststellen, dass einige den Film "Die Bucht" bereits vor unserer Hochzeit gesehen hatten, also wussten, wie die Delphine - auch in Duisburg - ins Delphinarium kommen. Aus verschiedenen Gründen haben sie uns nichts gesagt. Ach, hätten sie es doch getan…
Wir möchten nun unser Möglichstes dafür tun, dass die Aufklärung über die Grausamkeiten vorangetrieben wird, damit die schrecklichen Treibjagden irgendwann enden.
Der erste Schritt war für uns die Entscheidung, unseren Urlaub mit den Cove Guardians in Taiji (Japan) zu verbringen, um das grausame Geschehen dort für die Welt zu dokumentieren.
Die Bucht zu sehen war ziemlich surreal für uns. Alles wirkt auf den ersten Blick ganz friedlich. Aber die Verbotsschilder und Zäune machen sehr schnell klar, dass dort etwas versteckt werden soll.
Der Tag eines Cove Guardians fängt damit an, dass um 4:30 der Wecker klingelt…
Aufstehen, Zähne putzen, “Uniform” anziehen, kleines Frühstück, starker Kaffee, Ausrüstung greifen und dann ist pünktlich um 5:45 das Treffen in der Hotellobby, bei dem die einzelnen Gruppen für die verschiedenen Aussichtspunkte eingeteilt werden.
“Uniform” für Cove Guardians bedeutet neben Sea Shepherd Klamotten vor allem: Fotoapparat, Actioncam und Funkgerät - die wichtigsten “Waffen” in diesem Kampf.
Das gesamte Team fährt dann gemeinsam nach Taiji, wobei wir bereits kurz vor dem Ort auf unsere Polizeieskorte treffen. Das ist am Anfang sehr merkwürdig, aber man gewöhnt sich daran.
Die erste Station an jedem Tag ist der Hafen in Taiji, wo die Cove Guardians im Morgengrauen das Auslaufen der 12 so genannten Bangerboats fotografisch festhalten. Jedes Boot ist mit 2 Personen besetzt. An der Außenbrücke ist eine Metallstange befestigt, die ins Wasser gelassen wird, wenn die Flotte eine Schule Delphine gefunden hat.
Als nächstes, noch immer in der großen Gruppe, geht es zu einem Aussichtspunkt, von der aus wir die Richtung verfolgen, in die die Flotte auf ihrer Jagd nach Delphinen ausrückt. Bald sind alle Boote hinter dem Horizont verschwunden, und dann folgt eine Phase, die unter anderem den Namen dieser Kampagne ausmacht: Warten und Beobachten - unendliche Geduld - Infinite Patience...
Sobald am Horizont Bangerboote auftauchen, die sich in einer sogenannten "Drive Formation" der Küste nähern, brechen nach und nach die verschiedenen Teams zu anderen Aussichtspunkten auf, um möglichst viele der grausamen Details der Treibjagd zu dokumentieren. Die Boote formieren sich zu einem "V", die Metallstangen werden ins Wasser gelassen, und einer der "Fischer" schlägt am oberen Ende mit einem Hammer dagegen, was eine für Delphine unerträgliche Mauer aus Lärm erzeugt, das Bangen. Die Tiere kämpfen bis zur totalen Erschöpfung, um dieser Mauer zu entfliehen.
Je näher die Boote kommen, desto besser ist zu sehen, wie die Delphine immer müder werden und desto besser ist auch das "Bangen" zu hören. Der Lärm beim Gerüstbau wird uns wohl immer an die Bangerboote erinnern… Ein schlimmes Geräusch, dem meist grausame Taten folgen.
Die Delphine werden immer näher an die Küste getrieben. Wenn sie es einmal schaffen, den Booten zu entkommen, so finden diese doch fast immer einen Weg, sie wieder einzukesseln und weiter zu treiben.
Von unseren unterschiedlichen Aussichtspunkten dokumentieren wir alles bis ins kleinste Detail. Es ist meist sehr schwierig, die dabei aufkommenden Emotionen zu unterdrücken und “einfach” mit der Kamera “drauf zu halten”. Andererseits ist die Kamera auch wie eine Maske, hinter der man sich verstecken kann… Das Foto bleibt ja das Foto - ob die Person hinter der Kamera nun weint, oder nicht. Und wir hatten alle viele solcher Fotos…
Die Bangerboote treiben die inzwischen total erschöpften und verzweifelten Delphine in “Die Bucht” und schließen sie dort mit Netzen ein. Hier ist vom Strand aus deutlich zu sehen, wie grausam und ohne jeden Respekt die Tiere immer enger aneinander und in Richtung der "Todesbucht" getrieben werden. Das ist eine kleinere Seitenbucht, die schon von den Felsen sichtgeschützt ist und durch Planen noch zusätzlich abgeschirmt wird.
Wenn die Tiere all dort gefangen sind, wird auch diese Seitenbucht mit Netzen versperrt, sodass es kein Entkommen mehr gibt.
Inzwischen sind Taucher und die Killer in kleineren Booten, den Skiffs, eingetroffen. Je nach Art der Delphine oder kleinen Wale treffen die Taucher eine Auswahl derjenigen Tiere, die für ein Leben in Gefangenschaft "geeignet" sind - also möglichst keine Narben haben. Auch wird das Geschlecht festgestellt. Da die Geschlechtsorgane bei Delphinen und Walen innenliegend sind, werden die Tiere hierbei extrem belästigt, was zusätzlichen Stress verursacht.
Diejenigen Tiere, die "nicht schön genug" sind für eine Delphinshow, werden nun auf grausame Weise abgeschlachtet. Die Killer rammen einen Dorn in die Wirbelsäule und schließen das dadurch entstandene Loch mit einem Korken, um den Blutfluss zu stoppen. Angeblich sterben die Delphine sofort, was in vielen Fällen nicht stimmt. Durch Öffnungen in den Planen konnten wir deutlich sehen, wie viele Tiere entsetzlich leiden, bis sie schließlich erlöst sind. Die Familienmitglieder dieser armen Tiere müssen alles mit ansehen, bis sie selber an der Reihe sind. Ihre panischen Schreie und das verzweifelte Flossenschlagen ist deutlich zu hören. Das Wasser der Todesbucht färbt sich rot vom Blut der Delphine…
Die getöteten Tiere werden in Skiffs verladen und zum Schlachthaus gebracht, die Gefangenen in die "Pens" (Pferche) im Hafen oder bei den zwei "Delphin-Horrorstationen" in Taiji: Taiji Whale Museum und Hotel "Dolphin Resort", wo im Sommer Touristen mit den Delphinen schwimmen dürfen.
Es kommt auch vor, dass die "Killer" einige Delphine weder gefangen nehmen noch töten, sondern sie wieder hinaus ins Meer treiben - sei es, weil die Quote für den Tag erfüllt ist oder auch weil die Tiere zu jung sind. Sie treiben die Zurückgebliebenen dann auf die gleiche grausame Weise wieder hinaus, wie sie sie vorher hinein getrieben haben. Jungtiere und Babies werden in Planen, die am Boot befestigt werden hinaus befördert und dort einfach ins Meer geworfen, wo sie nun ohne den Schutz ihrer Familie nur geringe Überlebenschancen haben.
Der Tag in Taiji endet damit, dass sich alle im Hafen versammeln und dort mit vereinten "Waffen" so detailliert wie möglich den Verbleib der getöteten und gefangenen Tiere zu dokumentieren. Jeder blutige Stiefel, jedes blutige Tötungswerkzeug wird fotografiert, damit die Welt so viel wie möglich über die Wahrheit hinter den Planen erfährt.
Zum Abschluss eines "roten" Tages ertönt ein weiteres grauenvolles Geräusch: die Sirene der Fischereigewerkschaft, die ankündigt, dass es frisches Delphinfleisch zu kaufen gibt…
Dann werden die Planen entfernt und die Boote gereinigt. Die Killer haben ihr Tagewerk vollbracht und fahren mit ihrem Anteil an der "Beute" nach Hause.
Wir werden das dort Erlebte sicher nie vergessen und sind sehr stolz, Teil eines so tollen Teams gewesen zu sein. In unseren Mit-Cove Guardians haben wir gute Freunde gefunden, die das gleiche Ziel haben: Die Grausamkeiten zu beenden.
Die Kampagne in Taiji war für uns der erste Schritt. Wir werden auch weiterhin mit verschiedenen Organisationen für den Erhalt maritimen Lebens kämpfen.
Nicole & Markus Kappelhoff