|   Tauchberichte

Wie ein Fisch im Wasser…

oder: Was man sich nicht alles antut…

ein Bericht von Karin, Silke, Christoph, Robbi und Jörg

Sich wie ein Fisch unter Wasser zu fühlen, ich denke, davon träumen wahrscheinlich die meisten Taucher.

Als ich im Oktober 2000 in El Gouna, Ägypten, bei den Blue Brothers, einer kleinen Tauchbasis, die Gelegenheit bekam auf 2 verschiedenen Kreislaufgeräten von Dräger einen Beginnerschein zu machen, fühlte ich mich diesem Ziel einen ganzen Schritt näher.
Hier konnte ich, nur im „Tropi“, 2kg Blei und einem kleinen Gerät mit 3l – Flasche auf dem Rücken fast blasenfrei durch die Wracks des Roten Meeres tauchen. Wie schön war es, mit geringstem Gewicht ausgiebige Tauchgänge machen zu können, fast ohne auf den Luftverbrauch achten zu müssen!
Lediglich: Man musste sich jeweils ein spezielles Gas (Nitrox) mitnehmen, welches auf die maximale Tiefe abgestimmt war. So begrenzte das Gas und die zugehörige Bedüsung den Spielraum. Mal eben etwas tiefer in einen Laderaum schauen war gefährlich und mit einer drohenden O2-Vergiftung verbunden.

Als Robbi, Michi und ich 2005 in Norwegen dann an der Seattle, einem wunderbaren und gut erhaltenen Wrack, bei bester Sicht darauf beschränkt waren um die Schornsteine des Frachters herumzuschwimmen, da alles weitere zu tief lag, kamen die ersten konkreten Träumereien nach besserem Equipment auf. Vor allem, da Gase wie Helium einfach zu beschaffen waren.
Und als dann auch noch Philipp, Dirk und Erwin ihre ersten Erfahrungen auf einem „Kreisel“ machten, kaufte ich mir ein „Inspiration“, ein selbstmischendes, geschlossenes Kreislaufgerät, welches das Potential bot, auch große Tiefen von 100m oder mehr zu erreichen.

Sehr bald waren auch zunächst Michi und Robbi, 1 Jahr später auch Christoph, vom Kreiselvirus erfasst.
Schon nach dem Grund- und Userkurs auf diesem komplexen Gerät war vom „Fisch“ im Wasser wenig übrig. Rund 35 bis 40 kg wiegt die Ausrüstung, die einem das blasenfreie, stundenlange Tauchen ermöglicht.
Die Begeisterung jedoch, welche einen im Wasser  überkommt wenn mach nicht ständig aufs Finimeter schauen muss, Fische einen bis auf Macrodistanz heranlassen und die fast vollständige Geräuschlosigkeit des Gerätes machen alles wett. Nur das leise flap-flap der Richtungsventile im Atemschlauch und das leise Klicken des Magnetventils, wenn einem neuer Sauerstoff zugeführt wird, sind Geräusche auf welche man gerne achtet und achten muss.
Wenn wir das Potential des Gerätes ausschöpfen wollten und wirklich die „Seattle“, die „Blücher“ oder die „Heaven“ sehen wollten, mussten wir jedoch weiter aufrüsten.

Das Ziel war klar: Üben und einen Trimix-Schein machen.

Immer wieder konnte man uns so mit zusätzlichen Pullen behängt ins Wasser steigen sehen. In Fühlingen, der Wuppertalsperre oder der Nordsee sicherlich „ein wenig“ übertrieben, mit so einer Ausrüstung ins Wasser zu gehen. Wir haben auch so manches bedauernde Lächeln geerntet.
Doch wir hatten schließlich auch was vor: Sommer 2011 sollte es sein, das war bereits auf der „Boot 2011“ mit unserem Ausbilder Alex geklärt. Er leitet seit vielen Jahren die Tauchbasen der European Divers in St. Tropez und Hyeres und bietet auch (oder gerade) Teckis die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung. Große Boosteranlage mit immer einwandfreier Luft, Sauerstoff und Helium stellt er zur Verfügung. Kreislaufgeräte und Kalk für Kreisel besorgt er, das Team ist mehrsprachig, immer freundlich und die Ausfahrt mit den 200 PS Außenbordern ist immer wieder ein Knüller.

Wir kannten dies aus den vergangenen Jahren, wo er zunächst Michi und Robbi und dann Christoph im Alleingang ausgebildet hatte.

4 Mann mit eigenem Gerät sollte er zunächst zum Normoxic und schließlich zum FullTrimix Taucher ausbilden. Das Ziel waren 100m.
Doch schon auf der „Boot“ der erste Dämpfer: Da wir nur 2 Wochen vor Ort eingeplant hatten war „Erwachsenenbildung“ angesagt. Das selbständige Erlernen grundlegender Vorgehensweisen, Skills und Gesetzmäßigkeiten bei Tauchgängen jenseits des Sporttauchbereichs. Hierzu wurde uns das Studium einiger Bücher empfohlen, welche als Grundwissen bei der theoretischen Ausbildung vorausgesetzt würden. Zudem waren Ausbildungstauchgänge auf 80m „beschränkt“. Gesetz!
Vieles aus diesen Büchern war uns sicherlich durch Ausbildung und eigener Erfahrung bekannt. Doch mindestens genau so viel hat zum Nachdenken angeregt: Was kann passieren? Wie sind die Wahrscheinlichkeiten das es passiert und was kann man dagegen tun!?
Zusätzliche Ausrüstung ist gut, doch sie muss beherrscht werden, der Umgang mit ihr will geübt sein. Es nützt nichts, sich mit noch einer Bail-Outflasche (Verdünnungs- und Notfallgas) zu behängen, wenn sie im Notfall nicht erreichbar, dass Gas in der momentanen Tiefe nicht nutzbar ist oder aber die Mengen unzureichend sind.

All diese Fragen führten zunächst einmal zu größerer Verunsicherung, bevor sie untereinander diskutiert und geordnet werden konnten. Wenn einem dann ein alter Hase die Richtung vorgibt dann führt alles zu einem hoffentlich richtigen Ziel.

Und so war es dann auch: September 2011.
Mit Sack und Pack fuhren wir zu viert (Christoph und Robbi, Karin und ich) in 2 Autos nach Südfrankreich und quartierten uns in unser Mobilwohnheim ein. Silke hatte es vorgezogen zu fliegen, anstatt eines der Kreislaufgeräte auf dem Schoss zu transportieren…unverständlich;-)

Schon der erste Tag verlief mit großem Hallo und Überprüfung unserer Konfiguration: Veränderungen am Gerät? Wer hängt seine Stage-Flaschen wohin? Wie groß müssen sie sein um auch im Notfall zu reichen? Wie viel Gas verbraucht man in Ruhe, wie viel unter starker Belastung?
Und so verlief der erste „Tauchgang“ in ca. 3m Tiefe über Sandboden. Hier hatten wir eine Strecke zwischen 2 Bojen abgesteckt welche wir zunächst in Ruhe mehrfach abtauchten um anschließend das Gleiche noch mal unter Volldampf zu tun. Hieraus ergaben sich dann unsere Gasverbrauchsrechnungen. Eine Rechnung mit vielen Unbekannten:

Worst-Case:
Das Kreislaufgerät versagt vollständig am Ende der Grundzeit. Jetzt muss das zusätzlich mitgeführte Gas ausreichen um vollständig austauchen zu können. Zusätzliche Sicherheitsfaktoren sollten berücksichtigen, noch den Buddy mitversorgen zu können.

Nach der Mittagspause die ersten Folien, welche die Grenzwerte der Gase festlegen. Mit welcher MOD, welcher EAD wird gerechnet und wie muss das Gas beschaffen sein um diese Forderungen zu erfüllen… Fragen über Fragen.
Da uns Alex zwar sagte wie die Grenzen sind uns aber sonst mit unseren Berechnungen allein ließ, war mehr als einmal die Diskussion erst in der späten Nacht, über dem Notebook hockend, beendet.

Die Tage verliefen mit Scheuklappen auf den Trimix-Schein ausgerichtet. Immer wieder führten selbst belanglose Gespräche in die Tauchtheorie: „Schöne, kühle Luft heute Morgen. Apropos Luft, habt ihr schon gefüllt, hast Du schon analysiert…?“
Sie verliefen mit ständigen Wiederholungen von Übungen und Notfallszenarien (O2-Ventil klemmt offen / zu, Hyperkapnie und Aufstieg mit Bail-Outgas).
Immer schon unter voller Ausrüstung, mit einer seitlich an der Begurtung getragenen 10er, aber in gemäßigten Tiefen bis 40m.

Die „Rubis“, ein prachtvolles französisches U-Boot aus dem 2. Weltkrieg, war da mehrfach ein lohnendes Ziel. Toll bewachsen und sehr vollständig liegt es in 40m Tiefe auf dem Kiel und wartet auf Taucher, welche nur eine ½ Stunde mit dem Schlauchboot vom Pampelone Strand zum Tauchplatz benötigen. Mehrfach konnten wir hier ausgiebig unsere Grundzeit nach oben treiben. Nur das Mitleid mit den bereits im Schlauchboot luftlos wartenden Mittauchern, hat uns vorzeitig zur Wasseroberfläche gebracht;-).
http://www.myvideo.de/watch/8116989/Wracktauchen_Le_Rubis_C_te_d_Azur_Frankreich

Wie gut, dass unsere Frauen viiiieeel Verständnis zeigten und wir in diesem Jahr auf Kultur und Shopping weitestgehend verzichten konnten. Obwohl, der Markt in St. Tropez…, der hat was. Und da Alex am Samstag sowieso einen Pausentag für die Basis einlegt, kann man sich den Tag auch mal mit anderen Dingen vertreiben.

Die zweite Woche sollte dann aber noch mal verschärfte Anforderungen bringen.
Hatten wir in der ersten Woche noch Ausrüstung eingespart, so hatten wir meist keinen Kompass dabei, keine Lampe und nur eine Flasche mit 35er Nitrox als Sicherheitsgas, wurde nun aufgestockt:
Jeder 2 Bojen (rot und gelb) Reel mit 100m Leine (um aus voller Tiefe die Bojen zur Positionsmarkierung steigen lassen zu können), zweite 10er oder 12er (je nach Gasverbrauch, hatten wir ja getestet;-) ), na und Lampe und Kompass sollten auch noch dabei sein.
Der linke Arm war gefüllt mit Ohh-Shit-Tabellen 1 und 2 (auf deutsch Notfall-Dekopläne) sowie dem Rechner des „Inspis“, der rechte mit redundantem Trimix-Rechner und Kompass.
Die Flaschen war links und rechts mit Boltsnaps vertäut.
Nun sollten wir zeigen was wir draufhaben. Ab auf 80m für 10min. Alles selber errechnet, Tabellen erstellt (separate mit Kreislaufgerät und bei Ausfall des Gerätes), Gase gemischt, Deko-Pläne erstellt.

Ja und da saßen wir dann. Es war ruhiger als sonst auf dem Boot. Jeder auf sich konzentriert. Gerade noch ein: „Kannst Du mir mal den Gurt hier…“. Wir hatten mit Alex und dem Bootsführer ein eigenes Schlauchboot. Mit dem Sonar die Tiefenlinie erkundet….“ja, ist ein BISCHEN Strömung“, „nein, wir machen heute keine Übung, nur tauchen“, Anker geworfen (nur für die Boje. Das Boot war lose, um Abgetriebene aufzunehmen), (Junge, da geht aber viel Leine). Tja und dann über Bord. Treffen war auf 6m. Robbi und ich als erstes. Noch mal fuhr das Boot die Boje an, da bereits zu weit abgetrieben. Dann sah man Alex und Christoph über Bord fallen. Sammeln auf 6m, Check ob Blasen austreten. Alles dicht. Und dann ab. Aber zügig. Geht alles von der Grundzeit ab.
Bei 56m ein kleines Plateau, dahinter ging es weiter ab. Beachten: „Keine Arbeit beim Abtauchen“, kein C02 aufbauen, welches bei erhöhtem Partialdruck schon in kleinen Mengen gefährlich werden kann. Und dann, WOW, 82m. Mist wir hatten 80 abgemacht. Keine 80,5 sondern 80. Also zügig etwas höher. Und…Alles klar, keine Stickstoffdröhnung. Wie auf 20m habe ich das Gefühl.
Auf die Uhr geschaut. 3min haben wir noch. So ist der Plan ausgelegt. Dann kontinuierlich nach oben. Zeit ist um. Alle da? Ok. Und höher. 70m. Da zeigt Alex zu Robbi: Boje raus. Mannnn. Ich helfe, das Teil zu entfalten. Da bekommen auch Christoph und ich das Zeichen. Maaaaan. Na gut, soll wohl klappen. Reel ausgehakt, Boje dran, Sicherung raus. Luft rein. Nur ein Stoss. Dehnt sich ja extrem aus. Mist zu wenig. Wo ist der Automat. Und….?
Da trudelt mein Reel in die Tiefe. Ich versuch noch was zu fangen, vergebens. Blinkend fällt es in die Tiefe, während die Boje anscheinend doch genug Luft hat. Denn die zieht ab nach oben. Alex zeigt mir noch, dass ich mich jetzt vom Seil trennen soll, damit ich die anderen nicht einwickle. Also tschüss Boje.
Was macht Robbi? Alles klar. Was macht Christoph. Hmm, er bekommt seine Boje nicht auf. Alles noch auf weit über 50m.
Nun zeigt Alex auf mich, dass ich Christoph´s Boje übernehmen soll. Na klar, keine Übung. Hoffentlich verlier ich jetzt nicht das mir fremde Teil.
Aber alles geht gut. Christoph's Boje steigt und ich roll schon wieder auf und steige dabei auf.
Man hängt wie mit Drachenschnüren unter Wasser während die Bojen an der Wasseroberfläche weggetrieben werden und versucht einerseits zusammen zu bleiben und andererseits die Leinen nicht miteinander zu verknoten.
Schon auf 21m. Nächste Dekopause. Eine ½ Stunde haben wir noch. Es geht in 3er Schritten nach oben. 6m ist als flachster Stop geplant. Wegen der Dünung. Gut, noch rund 20 min. Alle da? Doch was ist das? Da macht sich Robbi´s Boje selbständig. Seil gerissen. Was nicht so alles passieren kann…
Nach dem Auftauchen ist das Boot ganz schön weit entfernt. Aber wir haben einen guten Bootsführer. Als alle an Bord waren und wir alle Bojen wieder eingesammelt hatten meinte er nur noch, er habe sich „ver…scht“ gefühlt. Da `ne Boje aufgetaucht, dann haute eine zweite ab und an der dritten tauchen wir dann auf. Nachher haben wir alle herzlich darüber gelacht.
Die nächsten 80er laufen wesentlich perfekter ab. Es wurden die Zeiten etwas verändert / verlängert und auch schon ein kleiner Törn zum Gucken mit Lampe auf der Tiefe vereinbart.
Die Bojen taten was sie sollten (zumeist). Nur Robbi hat uns einmal allein gelassen und wollte seine Tour für sich beenden. Nachher sagte er dann seine Boje habe sich an der Ankerboje verfangen und wir wären abgetrieben…;-).
Die theoretische Prüfung war bei dieser Vorbereitung dann schnell geschrieben und…bestanden. Jippieee!!!
Den letzten Tauchtag konnten wir dann tatsächlich noch an der „Togo“ verbringen. Ebenfalls ein tolles Wrack auf ca. 60m. Und während die anderen erfahrenen Taucher (nur DTSA *** oder höher) mit ihren 15er DTGs bereits wieder an der Dekoleine hingen, machten wir noch einen weiteren kompletten Rundkurs um das Wrack auf 60m.
Hierauf mussten wir uns leider von den wunderbaren Tauchgründen bei St. Tropez mit Wracks, großen Barakudaschwärmen und Zacki’s verabschieden. 
Es bleibt eine tolle Erinnerung bei anspruchsvollen Tauchgängen mit anspruchsvollem Ausbilder. Vielen Dank an Dich Alex.

Wir trauern alle um Michi Lichters, welcher Alles daran gegeben hätte, wenn er bei diesem Exkurs hätte dabei sein können.

Fragt ihr uns, warum wir dies oder jenes machen, warum so viel Arbeit, Kosten, Mühen?
Nun, derjenige, der es nachempfinden könnte, der kann es aus dem Text entnehmen. Aber ich gebe zu, es wäre ein wenig viel verlangt, es von allen erwarten zu können.
Viele Grüße, Eure Karin, Silke, Christoph, Robbi und Jörg